Michael Pschaiden - Die Schulzeit 1

von Werner

In einer eigenen Serie wollen wir ihnen die Kindheits- und Jugenderinnerungen von Michael Pschaiden vorstellen. Vorab gleich ein herzliches Dankeschön an Herrn Pschaiden für die Übergabe seiner Niederschriften, die wir natürlich unverändert veröffentlichen. Wir starten mit einer Geschichte, die vor dem 2. Weltkrieg beginnt.

Das längste woran ich mich erinnern kann, war ein Unfall. Ich habe mich im Hof vor dem offenen Fenster gespielt, wobei ich den Haken, mit dem man bei den alten Fenstern den Flügel ausspreizen konnte in den Mund genommen habe und irgendwie kam es dazu, dass ich mir das Ende des Hakens durch die Unterlippe drückte. Einen Arzt suchte man damals wegen nicht lebensbedrohlichen Verletzungen nicht auf, denn das hätte ja Geld gekostet. Wenn ich in der Folge Wasser getrunken habe, ist mir unten vor den Zähnen etwas heraus geronnen. Die Narbe die ich davon erhalten habe, stört mich heute noch beim Rasieren.

Der Kindergarten war damals im Hause Untere Hauptstraße 58, wo heute der Behindertenverein Neusiedl ist. Es war eine Kindergärtnerin die Therri Nenni und eine Helferin die Frau Lass, die uns Kinder betreuten. Im Keller war meistens Wasser, das hörte man, wenn man Steine durchs Kellerfenster hinunter warf. Es wurde uns immer wieder gesagt, dass da auch Kröten unten sind und gedroht, wenn man schlimm ist, werde man zu den Kröten in den Keller gesperrt. Der Kindergarten wurde zu dieser Zeit in manchen Familien nach der ehemaligen ungarischen Bezeichnung Ovatar genannt.

Die Schulen waren damals nach Konfessionen getrennt und die evangelische Schule war in der alten Straße 9, es wurden die erste und die zweite Klasse in einem Raum von einem Lehrer gemeinsam unterrichtet. Die dritte und vierte Klasse wurden in einer anderen Klasse gemeinsam unterrichtet und die fünfte, sechste, siebente und achte Klasse wurde gemeinsam von einem Lehrer unterrichtet. In der Klasse wurden vom Lehrer täglich Ohrfeigen ausgeteilt, das war die harmloseste Strafe. Mit einem dünnen Hartriegelstock, der immer in der Klasse war, auf die Fingerspitzen schlagen war nicht selten. Bei ärgeren Ausschreitungen wurde man in gebückter Stellung auf die Bank aufgelegt, zwei Schüler mussten den Bösewicht halten und der Lehrer drosch mit dem Stock darauf ein. In der Klasse der nicht mehr ganz kleinen Schüler manchmal sogar mit dem Meterstock, das war ein 3cm starker Stock, wo cm und dm eingezeichnet waren, das war so ziemlich das einzige Lehrmittel in der Klasse. Das Strafschreiben war damals eine beliebte Art von Strafe. Ich habe einmal einen Mitschüler, der mich beim Fußballspielen in der Turnstunde gehänselt hat eine Ohrfeige gegeben, daraufhin musste ich hundertmal schreiben: "Ich muss mich auch in der Turnstunde ordentlich benehmen."

Nachdem sich die Texte der Strafschreibezettel öfter wiederholten haben manche Schüler die vom Lehrer in die Kohlenkiste geworfenen Strafzettel eingesammelt und ein nächstes Mal als Strafe abgegeben. Ich verstehe heute noch nicht, warum die Lehrer von damals den Schülern nicht anstatt der unsinnigen wiederholten Sätze einen Text den der Schüler nur schwer begriffen hat aus einem Buch abschreiben ließen.

Quelle: Aufzeichnungen von Michael Pschaiden