2. Transport ins Gefangenenlager

von Werner

Bis in den Kaukasus - am Fuße des Elbrus - dauerte die Reise 21 Tage. Von den 40 Mann kamen nur 32 lebend an. Acht sind unterwegs gestorben. Wir waren alle sehr schwach und konnten kaum noch gehen. Der Transport bestand aus 1.600 Männern. Wir waren nur mehr 1.300 als wir in ein Lager kamen.

Das Lager war ein ehemaliger Ziegelofen und es gab sehr viele Läuse. Malaria-, Flecktyphus- und Ruhr-Epidemien waren die Folge. Ich bekam Malaria und wurde von hohem Fieber geschüttelt. Täglich starben 10 bis 25 Männer. Wir litten an großem Hunger und Durst. Ständig sprachen wir vom Essen und wie es Mutter zubereitete. Am nächsten Morgen war ein Kamerad steif, ein anderer nur mehr lauwarm. Innerhalb 6 - 7 Wochen sind von 1.300 Männern nur 67 übriggeblieben. Der Rest war verstorben und einfach in eine Schlucht geworfen worden.

Diese russische Lagerführung wurde verhaftet und abgeführt. Wir bekamen eine neue Lagerführung und einen Transport dazu. Darunter waren auch die Landsleute Schmickl Lorenz aus Kaltenstein und Weiss Hans aus Zanegg. Wir haben uns sehr gefreut, zusammengehalten und alles brüderlich geteilt.

Wir kamen Ende November 1945 in das Straßenbau Lager am Fuße des Elbrus. Wir mussten schwere, harte Arbeit am Kuban Fluss verrichten. Brückenpfeiler wurden mit kochendem Wasser, das über Kokskörben geheizt wurde, betoniert. Auch der Schotter wurde erwärmt, damit nichts auffriert. Es kamen auch Felssteine hinein. Ich war bei den Steinen eingeteilt.

Dann kam der Heilige Abend 1945. Unsere Gruppe bestand aus 60 Männern. Es war die dritte Schicht um 24:00 Uhr, da heulte in einer Fabrik eine Sirene auf. Es waren die Ungarn, die das Lied „Stille Nacht, heilige Nacht“ zu singen begannen. Wir haben alle mitgesungen. Die Posten schimpften, stießen und schlugen mit ihren Gewehrkolben auf uns ein. Ich hatte gerade einen großen Stein in den Händen, den ich fallen ließ und dem Posten auf den Fuß fiel. Als der Mann schrie, war ich nach draußen verschwunden. Die Posten suchten nach jemanden, der es gewesen sein könnte, aber es hat mich zum Glück niemand verraten. Es gab in diesem Lager nämlich viele Spitzel und Antifa – Schüler, welche für einen Schlag Wassersuppe einen Kameraden verkauften. Das Essen war sehr schlecht. Es bestand aus Graupensuppe, Hirsegascha und 600g Brot. Wenn einer die Arbeitsnorm (100 Prozent) nicht erfüllen konnte, wurden ihm 200g Brot abgezogen. So wurden die Männer noch schwächer. Das Brot, das sie weniger bekamen, hatten die bekommen, die 120 Prozent Leistung brachten. Ich war auch ziemlich geschwächt und oft bekam ich weniger zu essen. Gleich am Schalter, wo wir uns um das Essen angestellt hatten, wurde mir dreimal das Brot aus der Hand gestohlen.

Ich wog nur noch 49 kg bei einer Größe von 1,84 m. Wir konnten uns kaum noch wehren und auch nicht schlafen. Wir sprachen ständig vom Essen und kochten in Gedanken die besten Speisen, und jeder sagte, dass er, wenn er die Heimat wiedersehen würde, nie wieder wählerisch beim Essen sein würde. Wenn ich heute zurückdenke, wie muss ich als Zwanzigjähriger mit Vollbart und nur aus Haut und Knochen ausgesehen haben? Unvorstellbar!

Einmal hatte mich ein Posten beim Schienentragen beiseite geschickt und zu mir gesagt: „Geh weg du Alter, lass einen Jungen hin!“

Wir hatten eine ärztliche Untersuchung und nannten sie Fleischbeschau. Man musste sich nackt ausziehen und eine Kommission begutachtete uns. Die Ärztin zog am Bauch und am Gesäß die Haut weg, um zu schauen, ob noch Fleisch und Muskel vorhanden waren. So wurden die Prognosen gestellt. Es gab Gruppe 1, 2, 3 und O.K. Unter O.K. verstand man ohne Kraft und Dystrophie, das waren diejenigen, die nicht überleben würden. Ich musste zur O.K. Gruppe und kam mit einem Krankentransport nach Tifflis in das Lazarett - Lager. Ich bekam eine Injektion und mir wurde Bettruhe verordnet. Arbeiten brauchten wir nicht. Dort lernte ich einen guten Kameraden kennen. Er war 31 Jahre alt und Stabsfeldwebel.

Einmal gingen wir mit einem alten Russen Schildkröten sammeln, welche in der Küche verarbeitet wurden. Unterwegs haben wir ein Skelett von einem deutschen Soldaten gefunden. Er hatte seinen Namen und ein Gedicht in die Felswand geritzt. Es war wohl ein langes Leiden und Sterben. Der Arme muss ausgetrocknet sein. Leider habe ich seinen Namen vergessen. Wir erholten uns allmählich, aber das Heimweh ließ uns nicht los.

Teil 1: Meine Schicksalsjahre 1944-1953

Teil 2: Transport ins Gefangenenlager

Teil 3: Die Fluchtversuche

Teil 4: Not macht erfinderisch

Teil 5: Arbeit im Kohlebergwerk

Teil 6: Neuerlicher Fluchtversuch

Teil 7: Transport in Richtung Heimat

Teil 8: Der 4. Oktober 1953 - Es geht endlich nach Hause

Quelle: Matthias Schmitzhofer